Automatische Diätenerhöhung: Merz-Regierung profitiert kräftig

Verfasst von: Martin Klar
Nach einem Bericht der BILD-Zeitung („Rückwirkend ab April – Kanzler und Minister freuen sich auf fettes Gehaltsplus“) erhalten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Minister mehrere Tausend Euro mehr im Monat. Ursache ist ein gesetzlich verankerter Automatismus, der Politikerbezüge an die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst koppelt. Was technisch als Routine gilt, wirkt in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten wie eine Provokation. Dieses System ist legal – doch es offenbart ein moralisches Problem, das weit über Zahlen hinausgeht.

Seit 2016 werden die Gehälter von Kanzler, Ministern und Staatssekretären automatisch an die Lohnentwicklung des öffentlichen Dienstes angepasst. Mit dem jüngsten Tarifabschluss steigen sie rückwirkend ab April 2025 um rund 6,2 Prozent. Kanzler Merz verdient damit knapp 22.000 Euro brutto im Monat, Minister etwa 20.000 Euro. Ein Kabinettsbeschluss ist nicht nötig – der Mechanismus läuft still im Hintergrund. Für viele Bürger wirkt das wie ein Signal aus einer Parallelwelt: Während sie auf Entlastungen warten, profitieren die Entscheidungsträger von Regeln, die sie selbst geschaffen haben. Das sorgt für wachsende Kritik und Vertrauensverlust in die politische Elite.

Das Kanzleramt verteidigt die automatische Diätenerhöhung als „objektiv und nachvollziehbar“. Sie solle verhindern, dass Politiker ihre eigenen Bezüge willkürlich festlegen. Doch Kritiker sprechen von einem Automatismus ohne gesellschaftliches Bewusstsein. In einer Phase wirtschaftlicher Unsicherheit und hoher Preise wirke die rückwirkende Erhöhung wie ein Affront gegenüber Bürgern, die seit Jahren mit Reallohnverlusten leben. Selbst in Teilen der Koalition heißt es, der Zeitpunkt sei „unglücklich“. Trotzdem bleibt das System unangetastet. Es läuft rechtlich korrekt, aber moralisch blind – und sendet ein fatales Signal: Für die Bevölkerung Sparzwang, für die Regierung Automatismus.

Betroffen sind nicht nur Kanzler und Minister, sondern auch Staatssekretäre, Spitzenbeamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Die Erhöhung ist nicht politisch motiviert, sondern ergibt sich automatisch aus dem Tarifabschluss, von dem alle staatlichen Bereiche profitieren. Insgesamt summiert sich die Anpassung auf einen zweistelligen Millionenbetrag jährlich. Für den Bundeshaushalt bleibt das finanziell verkraftbar, politisch aber sensibel. Während Förderprogramme gekürzt und Sparmaßnahmen angekündigt werden, wirkt das Plus an der Spitze für viele Bürger unverständlich. In sozialen Netzwerken kursieren Kommentare wie „Nullrunde für uns, Nachzahlung für sie“. Das Vertrauen leidet – weniger wegen der Summe, sondern wegen der symbolischen Wirkung.

Kanzler Merz hatte im Wahlkampf versprochen, Politik müsse wieder Vorbild sein und Vertrauen zurückgewinnen. Doch das automatische Gehaltsplus konterkariert diese Botschaft. Verantwortung zeigen heißt auch, Maß zu halten – gerade an der Spitze. Ein freiwilliger Verzicht oder eine temporäre Aussetzung der Erhöhung wäre ein starkes Signal gewesen. Stattdessen entsteht der Eindruck, die Regierung nehme sich zuerst. Viele Bürger empfinden das als Beweis einer abgehobenen politischen Klasse. Die Regelung ist gesetzlich korrekt, doch moralisch problematisch. Vertrauen entsteht nicht durch Paragrafen, sondern durch Haltung – und diese Haltung fehlt spürbar im Umgang mit den eigenen Privilegien.

Ein Blick nach Europa zeigt, dass Deutschland mit seiner automatischen Diätenregelung zunehmend isoliert dasteht. In Frankreich setzte Präsident Macron 2024 seine eigene Gehaltserhöhung aus, um „Solidarität mit der Bevölkerung“ zu zeigen. In Dänemark und Schweden müssen Anpassungen öffentlich begründet und parlamentarisch bestätigt werden. Deutschland dagegen vertraut auf einen Automatismus, der kaum gesellschaftlich kontrolliert wird. Das Verfahren ist zwar transparent, aber emotional intransparent – es vermittelt Distanz statt Vertrauen. Gerade eine Regierung, die Leistung, Disziplin und Verantwortung betont, sollte zeigen, dass diese Werte auch für sie selbst gelten. Doch genau dieses Signal bleibt bislang aus.

Politiker sollen angemessen verdienen, keine Frage – aber in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit darf sich Vertrauen nicht automatisch erhöhen. Die Diätenkopplung folgt einem festgelegten Mechanismus, sie ist nicht politisch motiviert und gilt ebenso für den gesamten öffentlichen Dienst. Dennoch zeigt die Reaktion vieler Bürger, dass Transparenz wichtiger ist als Formalität. Ein rechtlich korrektes System kann moralisch scheitern, wenn Kommunikation fehlt. Kanzler Merz und seine Minister hätten durch freiwillige Zurückhaltung ein starkes Signal setzen können. So bleibt der Eindruck einer Politik, die sich selbst versorgt, während sie von anderen Sparsamkeit verlangt. Vertrauen kostet nichts – doch sein Verlust bleibt unbezahlbar.

Quellen & Hinweise: BILD-Zeitung, Ausgabe vom 4. Oktober 2025: „Rückwirkend ab April – Kanzler und Minister freuen sich auf fettes Gehaltsplus“. Bundesgesetzblatt: § 11 Bundesministergesetz / § 11 Abgeordnetengesetz. Bundesinnenministerium (BMI): Tarifabschluss 2025 für den öffentlichen Dienst. Bundestagsdrucksachen und Haushaltsplan 2025, Einzelplan 04 (Bundeskanzleramt). Statistisches Bundesamt: Reallohnentwicklung 2024/2025 und Verbraucherpreisindex. Verordnung BGBl. I S. 1412 zur Anpassung der Bezüge von Regierungsmitgliedern. Vergleichende Recherche zu europäischen Regelungen in Frankreich, Dänemark und Schweden. Auswertung von Medienberichten und parlamentarischen Quellen. Analyse und redaktionelle Aufbereitung durch Das kritische Auge, Stand: Oktober 2025, Deutschland / Europa.